Gedanken zu meiner künstlerischen Tätigkeit


 

Bachs Oratorien, Chopins virtuose Klavierkompositionen… Alles bekannte Meisterwerke der Klassik die meist Jahrzehnte, ja Jahrhunderte vor unserer Zeit entstanden. Spiegeln diese Werke also nur die Ästhetik und den historischen Kontext einer vergangenen Zeit wider oder berührt das klassische Repertoire ebenfalls die Gegenwart? Ist der Musiker nurmehr das Sprachrohr einer 'musealen Kunst'? Oder ist die musikalische Sprache der alten Meister und ihre immer erneuerte Interpretation durch den Musiker lebendig und hat heute wie gestern auch einen gesellschaftlich relevanten Platz? Diese Fragen stellen sich mir bei jedem neuen Projekt, jeder Aufnahme und verlangen nach einer Antwort.


 

Fundament der Theorie : klassische Stücke als lebendige Werke: zentrale Rolle der Interpretation, die immer neues Licht auf verschiedene Aspekte wirft. Fortdauernder Schaffungsprozess der nicht mit der Niederschrift der Komposition beendet ist, sondern sich durch/mit dem Musiker immer neu erfindet/weiterentwickelt.


 

Beispiel der 3 Komponisten*: Schon während des Komponierens entsteht das Werk aus dem Zusammenfluss verschiedener kultureller Einflüsse/Strömungen. Das ist keine Neuerfindung sondern ein Jahrhunderte alter Prozess. Insbesondere kultureller Austausch im europäischen Raum war schon immer besonders ertragreich. Gedankenwelten treffen aufeinander und bereichern sich gegenseitig, ermöglichen Entstehung neuer Bewegungen in der Kunst.


 

Damit das Werk am Leben bleibt ist dieser Austausch auch in der fortwährenden Interpretation unabwendbar. Die Musiker bereichern sich gegenseitig durch ihre kulturell-bedingten unterschiedlichen Ansätze. Zentraler Aspekt des kulturellen Austauschs.


 

Logischer Übergang zum gesellschaftlichen Aspekt: 70 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen, die Europäer dazu bewogen haben sich innerhalb der Union zusammenzuschließen, erlebt Europa eine ähnliche Sinneskrise wie die klassische Musik: Wiederaufleben nationalistischer Stimmungen, Abschottung und Argwohn (Misstrauen) dem Fremden gegenüber. Gerade diese isolationistische Tendenz nimmt der europäischen Struktur ihren Schwung und droht sie zum Scheitern zu bringen. Ebenso kann klassische Musik nur dann als lebendige Kunst bestehen wenn sie sich über den aktiven Austausch ihrer Akteure fortwährend neu erfindet und definiert.


 

Schluss: Insofern ist klassische Musik Beispiel ? / Messpegel ? Inspiration ? für eine aktive europäische Politik. Die europäische Idee am Leben erhalten indem man sich vom lebendigen Schaffensprozess der klassischen Musik inspirieren lässt ?!


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*Mein Text bezieht sich auf die geplante neue Solo-Aufnahme mit den unten genannten Werken:



Johann Samuel Schröter (1750-1788):


-Fantasie D-Dur ´After the battle`



Carl Maria von Weber (1786-1826):


-Sonate As-Dur Op.39 No. 2                                   


-Variationen über ein Zigeunerthema Op. 55



Fryderyk Chopin (1810-1849):



-Impromptus No.1-3 As-Dur Op. 29, Fis-Dur Op.36, Ges-Dur Op.51